Anfang November verbrachte ich ein paar Tage in Arles. Ich mag diese Stadt, weil sie, obwohl Touristenstadt viel Ursprüngliches bewahrt hat. Ausserhalb der Ferienzeiten lässt es sich noch in stillen Gassen flanieren, die Häuser sind (noch) nicht alle herausgeputzt und viele Läden verkaufen das, was die Bewohnerinnen brauchen. Auf dem Programm stand auch ein Besuch im neuen Museum LUMA. Im Voraus hatte ich darüber gelesen, auch dass dieses Grossprojekt bei der Bevölkerung nicht nur auf Wohlwollen stösst, dass es Gentrifizierung fördere und die alte Stadt dominiere.
Ich versuchte mit offenen Sinnen das Museum zu besuchen. Nein, es dominiert die alte Stadt nicht. Man sieht zwar den mächtigen schillernden Turm bei der Einfahrt in die Stadt. Aber er wirkt eher wie ein Trabant ausserhalb des Zentrums. Und ja, ich kann verstehen, dass die Bevölkerung nicht nur glücklich ist über diesen Kunsttempel. Als das habe ich LUMA erlebt: ein Monument eines Stararchitekten und einer Mäzenin, das aber als Bau keine Antwort gibt, auf das, was uns heute bewegt und kein Wegweiser ist für künftige Zeiten.
In der Beschreibung des Turms findet sich zwar ein Satz zum nachhaltigen Energiekonzept. Aber wäre es nicht zukunftsweisender gewesen Nachhaltigkeit bereits im Bau zu verwirklichen?

Im Erdgeschoss gibt es ein Video eines Gesprächs zwischen Maja Hofmann, der Mäzenin, und dem Architekten Frank Gehry. Mich hat die Lebendigkeit und die Begeisterung des 92-jährigen Gehry beeindruckt. Und doch hätte ich mir gewünscht, Maja Hoffmann hätte jungen Architektinnen und Architekten Gelegenheit gegeben, ihre Ideen eines Museums für das 21. Jahrhundert zu verwirklichen. Mit den zwei-oder dreihundert Millionen für das Grossprojekt, hätten mutige Visionen Gestalt annehmen können.
Dabei hat auch Frank Gehry bescheiden und spielerisch begonnen…

Modell von Frank Gehry für den Bau des LUMA; Holz, Stoff, Plexiglas und Stecknadeln
Ich habe Stunden im Museum verbracht und in den dazu gehörenden Ausstellungsgebäuden im grossen Park. Hier möchte ich ein Werk erwähnen, das mich speziell berührt hat: Four Nocturnes, des Künstlers und Filmemachers John Akomfrah, ein fast einstündiger Film, den der Filmemacher 2019 für den ghanesischen Pavillon an Biennale von Venedig gedreht hat. In beeindruckenden Bildern feiert er die Schönheit der Natur aber auch ihre Verletzlichkeit, er zeigt menschenverursachte Zerstörung und die damit verbundene Bedrohung.
Per Zufall habe ich später beim Bummeln durch die Stadt in der Chapelle Saint-Martin du Méjan Arbeiten von Réjean Dorval entdeckt. Es sind die grossformatige Zeichnungen von Bäumen, von Waldpartien oder Felslandschaften, die mich begeistert haben. Von Weitem sehen die Bilder aus wie schwarz-weiss Fotografien, so präzis. Dabei sind sie in grossem Gestus mit Kohle gezeichnet; wunder-bar.

Réjean Dorva, Cimes, 300 x 400 cm
Ein Naturwerk durfte ich vom Hotelzimmer aus geniessen: den vermutlich mehrere hundert Jahre alten Baum, ein Micocoulier, im Hotelgarten. Das Lichtspiel seiner Blätter im Morgenlicht, bewegt vom Mistral, war zauberhaft.