

Der Herbst ist üppig dieses Jahr, er zeigt sich golden und noch sind die Tage warm genug, um mit Freundinnen draussen Kaffee zu trinken. Und doch ist der Herbst der definitive Abschied vom Sommer. Beim Gemüsebauer auf dem Markt gab es diese Woche die letzten heimischen Auberginen, die Tomaten schaffen die Reife nicht mehr. Auf dem Blumenfeld blüht es aber noch: Sonnenblumen, Ringelblumen und Kosmeen tun so, als wäre es noch August. Ich pflücke einen grossen Strauss Sommer und stelle ihn auf den Esstisch.
Vom Strauss der letzter Woche sammle ich die Blütenblätter und beginne zu spielen. ‘Script vom Sommer im Herbst’: ganz leicht hingeworfen ein paar Blätter… eine Schrift für das, was war.
In der japanischen Sprache gibt es für die Spuren vergangener Zeit ein eigenes Wort: ‘nagori’. Ryoko Sekiguchi, die japanische Lyrikerin, Autorin und Übersetzerin hat darüber ein zauberhaftes (leider vergriffenes) Buch geschrieben: Nagori – Die Sehnsucht nach der von uns gegangenen Jahreszeit.
«Eine Nagorifrucht ist eine Frucht am Ende der Saison, die überreife Frucht. Sie verabschiedet sich von uns bis zum nächsten Jahr und wehmütig sehnst du dich schon nach ihr zurück. Es steht vor allem für die Spur, die Anwesenheit, die Atmosphäre einer vergangenen Sache. In nagori vermischen sich Bindung, Sehnsucht und Zeitlichkeit. Nagori verweist sowohl auf eine Sehnsucht in uns, nämlich die wehmütige Sehnsucht nach einer Sache, die uns verlässt oder die wir verlassen als auch auf die Vorstellung von etwas, das die Jahreszeit leicht verzögert, als ob diese Sache selbst, zum Beispiel Blumen oder Schnee nur mit Bedauern diese Welt und die ihr zugehörige Jahreszeit verliesse.»
Beim Wegräumen des alten Blumenstrausses fällt Blütenstaub auf den Tisch. Ich wische ihn auf ein Blatt Papier, es inspiriert zum Weiterspielen…. und zum Schluss bleibt ein Danke an die warme Jahreszeit, die ich so sehr liebe.